Die Lehrveranstaltung bildet die Fortsetzung des im Wintersemesters 2004/05 gehaltenen Proseminars zum Problem der Anerkennung. Anhand ausgewählter Texte von Adorno, Horkheimer und Jürgen Habermas wird es möglich sein, nicht nur eine thematische Anbindung an die Problemstellungen des ersten Teils zu finden, sondern die Auseinandersetzung und Weiterentwicklung der Kritischen Theorie durch Axel Honneths Anerkennungstheorie besser in den Blick zu bekommen.
Zu Beginn des Proseminars wird der emanzipatorische Gehalt des Arbeitsparadigmas in der frühen Kritischen Theorie von Horkheimer und Adorno untersucht, die auf die Notwendigkeit einer Aufhebung der Verletzung von Regeln menschlicher Sozialverhältnisse, wie im Falle des Proletariats, hingewiesen haben. Axel Honneth, der als die dritte Generation der Kritischen Theorie – nach Jürgen Habermas – angesehen werden kann, sieht im Habermasschen Kommunikationsparadigma, dessen Emanzipationsgehalt er zwar würdigt, aber nicht als ausreichend ansieht, nicht den gesuchten sozialen Bezugspunkt der weiterzuentwickelnden Kritischen Theorie, weil es nicht in jedem Fall eine erfahrbare Verletzung zum Inhalt haben müsse. Erst die langanhaltende Massenarbeitslosigkeit und die Dauerleiden der Betroffenen ließen – laut Honneth – den Gedanken an ein neues Paradigma aufkommen. Arbeitslose erfahren ihr Leiden als Missachtung oder zumindest als Mangel an Achtung und Anerkennung. Nicht die Orientierung an positiv formulierten Moralprinzipien, sondern in der Erfahrung der Verletzung von intuitiv gegebenen Gerechtigkeitsvorstellungen liege dem sozialen Protestverhalten von Unterschichten motivational zugrunde. Deshalb sieht Honneth auch im Unterschied zu Habermas im Erwerb sozialer Anerkennung die normative Voraussetzung allen kommunikativen Handelns. Am Ende der Lehrveranstaltung soll noch auf die aktuelle Diskussion zwischen Axel Honneth und Nancy Fraser inUmverteilung oder Anerkennung? eingegangen werden, in der Fraser die These vertritt, das die politisch-philosophische Konzentration auf die Anerkennungsbegrifflichkeit zur Folge hat, dass die nach wie vor brisanten Umverteilungsfragen im Hintergrund gehalten werden.
Das Problem der Anerkennung, Teil I: Hegel, Marx, Sartre
Ziel der auf zwei Semester aufgeteilten Lehrveranstaltung ist es, in einem ersten Schritt die historische Entwicklung der Anerkennungsproblematik im Detail nachzuvollziehen und diese dann in einem zweiten Schritt mit zeitgenössischen Anerkennungstheorien in Verbindung zu bringen. „Anerkennung ist zu einem Schlüsselbegriff unserer Zeit geworden. Eine ehrwürdige Kategorie der Hegelschen Philosophie, wieder zum Leben erweckt durch die politische Theorie, scheint dieser Begriff heute von zentraler Bedeutung für die Analyse von Kämpfen um Identität und Differenz zu sein“, betonen Nancy Fraser und Axel Honneth am Anfang ihres 2003 erschienen Buches Umverteilung oder Anerkennung.
Zu Beginn der Lehrveranstaltung gehen wir bis auf die Ursprünge der Anerkennungsproblematik bei Fichtes Grundlage des Naturrechts zurück,wo wir die Annahme finden, dass jedem Rechtsverhältnis bereits ein Anerkennungsverhältnis zugrunde liegen muss. Aufbauend auf Fichte und in Auseinandersetzung mit der bisherigen Naturrechtstradition entwickelt Hegel von seinen frühen Schriften in der Jenaer Realphilosophie über die Phänomenologie des Geistes bis hin zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts eine Gesellschaftstheorie, die das Anerkennungsproblem als innere Struktur menschlicher Vergesellschaftung, sowohl den sittlichen Verhältnissen als auch den Institutionen, zugrunde legt. Diese stufenweise Entwicklung des Hegelschen Anerkennungskonzepts soll im Proseminar Schritt für Schritt anhand ausgewählter Sekundärliteratur von Ludwig Siep, Manfred Riedel und Joachim Ritter nachvollzogen werden, wobei sowohl auf das historische Umfeld Hegels als auch auf die enorme Wirkungsmächtigkeit seiner Schriften eingegangen wird.In einem weiteren Schritt wenden wir uns derKritik der Hegelschen Rechtsphilosophie und den Ökonomischen-Philosophischen Manuskripten (1844)von Karl Marx zu. Um die Entwicklung von Hegel zu Marx besser nachvollziehen zu können, werden wir auf Karl Löwith Von Hegel zu Nietzsche zurückgreifen und auch Alexandre Kojève und Georg Lukács, deren Hegellektüre von der Absicht getragen ist, Marx durch Hegel besser zu verstehen. in die Betrachtung mit einbeziehen.
Zum Abschluss der Lehrveranstaltung wird auf Jean-Paul Sartres Anerkennungstheorie, die zu Beginn des zweiten Teil des Lehrveranstaltung ausführlich behandelt werden soll, Bezug genommen und zwar in Form eines Exkurses, den Ludwig Sieps in Anerkennung als Prinzip der praktischen Philosophie vornimmt, mit dem Hinweis, dass bei Sartre im Gegensatz zu Hegel, die Bedeutung eines Dritten für die Bildung eines „Wir“-Bewußtseins in den Mittelpunkt rückt.